Start im März 2013
Vorwort:
Warum hier "Das Beste von Harald Martenstein"?
Mir ist es nicht gegeben in dieser Art und Weise Kritisches in Worte zu fassen, so wie Harald Martenstein es schafft, zu aktuellen Themen die passende Geschichte zu schreiben, die in gekonnter Manier überzeichnet oder "auf die Schippe nimmt" und uns unsere IRRWITZIGE WELT nahe bringt und auch als Spiegel vorhält.
Harald Martenstein gelingt es unter Anderem den schon irrwitzigen Mainstream grünen Gedankenschlechts* bloßzustellen. * Das Gegenteil von Gedankengut
Beispiel:
Wenn man dazu übergeht Kinderbücher umzuschreiben, dann beginnen wir unsere Vergangenheit zu leugnen und zu verfälschen. War das nicht schon mal so? Geschieht das nicht immer wieder? In unserer aufgeklärten Zeit!!! Sind wir etwa nicht aufgeklärt??? Sind wir noch klar im Kopf uns Solches gefallen zu lassen???
Dazu ein Spruch von mir vom 22.04.2013:
Wer sagt, dass "Neger" ein Schimpfwort oder Unwort
ist und sich darüber entrüstet,
der schafft Probleme, wo vorher keine waren –
für ALLE – für Neger und Nicht-Neger.
Siehe zu diesem Thema auch "Der Gleichstellungswahn / der Gleichmachungswahn". Dazu passen auch meine Gedanken zum umfangreichen Thema "Über das DenKen" und auf mein besonders geschriebenen "DenKen". Nur vergiss bitte nicht wieder hierher zurückzukommen!
Da die wenigsten Menschen denKen können - so meine gefestigte Meinung, die über gut 30 Jahre entstanden ist - aus diesem Grunde wundere ich mich nicht mehr über diesen IRRSINN und SCHWACHSINN, den Menschen produzieren und dem Menschen erliegen.
Beispiel: Fußkugelspiel. Google mal dieses mehr als schwachsinnige Wort. Vielleicht nimmt Harald Martenstein diesen Steilpass mal von mir auf und schreibt etwas darüber.
Nur ein paar Beispiele zum IRRSINN und SCHWACHSINN:
Diese Welt mit den Menschen und deren abartigem Verhalten, wie Fressen, Saufen, Lügen, Missbrauchen bis hin zum Töten und Morden, diese Welt wird dann auch noch tagtäglich und vorrangig im Fernsehen (zur Nachahmung?) gezeigt.
Warum nicht Positives zeigen, damit dies nachgeahmt wird?
Wer sieht sich diesen Schwachsinn an, wie z. Bsp. Krimis? -> Die tumbe Masse!
Da versucht man den Menschen ihr eigenes, abartiges Verhalten auch noch als Unterhaltung unterzujubeln.
Das funktioniert prächtig mit dieser tumben* Masse Mensch.
* tumb = bieder, einfältig, hinterwäldlerisch, naiv, töricht, unbedarft, dumm
Einschub am 07.11.2019: Diese tumbe Masse, diese Menschen bezeichnen sich als intelligent - das ist eine nicht zu überbietende Hochstapelei. Es wird eher zur künstlichen Intelligenz von Robotern kommen, als dass in den Gehirnen der Menschen die Intelligenz zum Durchbruch kommt. Siehe dazu "Das Intelligenzparadoxon" (ER DAW 13) Ende Einschub
Toll, Du hast bestimmt auch nicht darüber nachgedacht, was man mit uns treibt!!???
Toll, wie wir uns - gedankenlos - treiben lassen in solch einem Maintream der "weichgespülten Konsumzombies"!
Und die Schauspieler in Krimis sind hochgeachtet in unsere Gesellschaft!
Was für eine irrsinnnige, verkehrte Welt.
Nur ein kleines und einfaches Beispiel für die "intellektuellen Menschen":
Diese Welt mit Ihren gescheiten Menschen, die mit den Begriffen "Würde", "Intelligenz", "Bewusstsein" und "Erkenntnis" tagtäglich hantieren, sind sich noch nicht mal im Ansatz bewusst, was sie da von sich geben.
Siehe dazu u. a. den "Artikel 1 der Menschenrechte, richtig gestellt"
Häufig basiert dieses Unbewusste auf - in jungen Jahren - Gelerntem, z. Bsp. von sogenannten bedeutenden Philosophen, wie Immanuel Kant.
Dieser Immanuel Kant, der den totalen Schwachsinn verzapfte, und den ich dafür verantwortlich mache, dass heutzutage kaum ein Mensch etwas mit der Philosophie anfangen kann. Auch die Philosophen sind sich uneins den Begriff "Philosophie" eindeutig zu deffinieren.
Auch hier gebe ich Immanuel Kant einen Hauptteil der Schuld, dass dem so ist.
Wer sich hier angegriffen fühlt und meint, dass dem nicht so ist, der lese die Nr. 237 "Kant-Versteher sind Verstehenmüsser". Die Nr. 237 ist noch moderat. Wer es noch nicht verstanden hat, der lese die Nr. 206 "Immanuel Kant, ein irrer Wirrer".
Wem das immer noch nicht reicht - hier die Härte 10 aus 'Physische Geographie' (Königsberg 1802) § 2:
1. Die Neger werden weiß geboren, außer ihren Zeugungsgliedern und einem Ringe um den Nabel, die schwarz sind. Von diesen Theilen aus ziehet sich die Schwärze im ersten Monate über den ganzen Körper.
2. Wenn ein Neger sich verbrennt, so wird die Stelle weiß. Auch lang anhaltende Krankheiten, machen die Neger ziemlich weiß .....
(Diese Härte 10 ist von mir eher für die "einfachen Menschen" gedacht, um aufzuzeigen, wie "gescheit" die "Gescheiten Menschen" sind.)
Damit habe ich letztendlich alle Intellektuellen gegen mich aufgebracht - und das hat seinen triftigen Grund: Fangt mit dem DenKen an!!!!
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Nun aber endlich zu Harald Martenstein
Seine beiden letzten Kolumnen vom 14.03. und 21.03.2013 sind die Besten, die ich jemals gelesen habe. Er wird immer besser. Weitere herausragende Kolummen werden wahrscheinlich folgen.
6 Jahre später, am 07.11.2019 hat sich das bewahrheitet mit "Über die lebenslangen Kämpfe mit der eigenen Mutter und andere Gedanken beim Ausräumen ihrer Wohnung". Damit hält Harald Martenstein sich selber den Spiegel vor. Einmalig gut! Hier am Ende zu finden.
Meinen außerordentlichen Dank an Harald Martenstein für seine Art zu schreiben.
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Über öffentliche Toiletten für Männer, Frauen ....
Über öffentliche Toiletten für Männer, Frauen und andere
Harald Martenstein vom 14.03.2013
In Berlin-Kreuzberg sollen jetzt neben den Toiletten für Männer und Frauen auch öffentliche Toiletten für Menschen eingerichtet werden, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen, also die Inter- und die Transsexuellen. Diese Maßnahme wurde auf Antrag der Piratenpartei von der SPD, den Grünen und den Linken im Bezirksparlament beschlossen. In den neuen Toiletten sollen sich neuartige Urinale befinden. Jedes Urinal wird mit einer Box umgeben, damit niemand sehen kann, was da im Einzelnen ausgepackt wird. Mir ist klar, dass Inter- und Transsexuelle sich in einer schwierigen Situation befinden und dass solche Menschen Anspruch auf Respekt und Toleranz haben. Warum man deswegen Toiletten umbauen muss, ist mir hingegen unklar.
Kann solch ein Mensch nicht einfach in die Toilette hineingehen, die seinem äußeren Erscheinungsbild am ehesten entspricht, dort eine Zelle betreten, abschließen und auf die ihm oder ihr gemäße Weise sein oder ihr Geschäft verrichten? Im Sitzen? Das ist doch gar nicht so schlimm, wenn man dabei sitzen muss. Bei mir ist es so: Ich bin, rein äußerlich, Mann. Wenn die Männertoilette kaputt war, bin ich immer auf der Frauentoilette gewesen. Ich darf sagen, dass die Frauen mir dort stets mit Respekt und Toleranz begegnet sind. Ich habe gelächelt und habe gesagt: "Tschuldigung. Das andere Klo ist kaputt." Niemals sind mir indiskrete Fragen nach meiner sexuellen Identität gestellt worden. Frauen sind schon okay in solchen Situationen.
Lena Rohrbach, eine Politikerin der Piratenpartei, sagt dazu: Wenn ein Mensch auf eine Toilette gehen muss, die seiner sexuellen Identität nicht entspricht, dann wird ihm suggeriert, dass er eigentlich nicht existieren dürfte. Ich finde, solch ein Mensch sollte eher daran denken, dass die staatlichen Mittel zum Bau von Toiletten begrenzt sind. Es ist kein persönlicher Angriff, es ist eher eine Etatfrage. Was kostet es denn, zu sagen: "Das andere Klo ist kaputt"? Diese kleine Notlüge würde doch nur zeigen, dass die Inter- und Transsexuellen Respekt und Toleranz für die Lage der kommunalen Haushalte aufbringen. Von Kennedy stammt der Spruch: "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst." Das, was die deutschen Inter- und Transsexuellen für ihr Land tun können, lässt sich am besten in dem Satz "Das andere Klo ist kaputt" zusammenfassen.
Ich habe auch schon über meine sexuelle Identität gelogen. In Israel habe ich als junger Mensch immer gesagt, ich sei ein Schweizer Jude, weil man auf diesem Ticket viel leichter eine israelische Freundin bekommen hat. Ich war quasi ein Kryptosexueller. Da habe ich nie gedacht, dass ich als Deutscher eigentlich nicht existieren dürfte, im Gegenteil, ich fand das super. Man kann es auch schlecht kontrollieren. Wenn ein Typ in das Intersexuellenklo hineingeht und sagt: "Ich fühle mich als Frau" – wer soll das überprüfen? Und wie? Die Geschlechtsorgane geben ja nicht immer darüber Aufschluss, wie ein Mensch sich gerade fühlt. Man müsste ein intersexuelles Staatsexamen und eine Sexualkennkarte einführen, damit sich keiner, wie ich damals, eine Toleranz erschleichen kann, die ihm nicht zusteht. Bei der Piratenpartei ist es so, dass die Toiletten in der Geschäftsstelle gar nicht mehr gekennzeichnet werden, es gibt eine Toilette mit und eine Toilette ohne Urinal, und welche man benutzen möchte, stehend oder sitzend, soll man spielerisch ausprobieren. Das kommt mir unhygienisch vor. Aber ich will wirklich niemandes Gefühle verletzen.
Mein Spruch dazu:
Nicht nur Kinder, auch Erwachsene brauchen Orientierung in unserer immer orientierungsloser werdenden Zeit - und vor allem brauchen wir keine Gleichstellungsbeauftragten, denn diese Gleichstellungsbeauftragten sind die Orientierungslosesten unter den Orientierungslosen.
Dieser Spruch ist zu finden in der Nr. 305 "Der Gleichmachungswahn"
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Über eine umstrittene Band aus Südtirol und ....
Über eine umstrittene Band aus Südtirol und ehrenwerte Rapper
Harald Martenstein vom 21.03.2013
Harald Martenstein fragt sich, warum Frei.Wild vom Echo ausgeladen werden und Bushido schon so viele bekommen hat. Der sei doch noch viel schlimmer als Rainer Brüderle.
Ich bin ein alter Rock'n'Roller, wisst ihr. Deshalb habe ich mitgekriegt, dass sie eine rechtsradikale Band, die für den Musikpreis Echo nominiert war, wegen Rechtsradikalismus wieder ausgeladen haben. Diese Band heißt Frei.Wild und kommt aus Südtirol. Daraufhin habe ich mir auf den wichtigsten Internetseiten mal die wichtigsten Textbelege für den Rechtsradikalismus dieser Band angeschaut. Auf ZEIT ONLINE hieß es, die Band singe den Satz »Südtirol, wir tragen deine Fahne« und verwende Wörter wie »Helden« und »Volk«. Da war ich perplex, weil David Bowie doch Heroes gesungen hat und John Lennon Power to the People. Meiner Ansicht nach ist Lennon nie ein echter Nazi gewesen. Bowie, gut, der hat in Deutschland gelebt, aber doch nicht aus Liebe zu Adolf Hitler. Auf stern.de stand das Frei.Wild-Zitat: »Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat. Ohne sie gehen wir unter.« Das könnte doch auch irgend so ein bedrohter Indianerstamm im Amazonasgebiet singen. Die Südtiroler sind ebenfalls eine Minderheit, die es nicht immer leicht gehabt hat. Zweiter Beweis für das Nazitum war der Satz: »Ich scheiße auf Gutmenschen und Moralapostel.« Sorry, für mich klingt das eher nach Heiner Lauterbach als nach Nazis. Nach Ansicht eines Extremismusexperten bedeuten diese Sätze aber eine »harte Absage an eine moderne Gesellschaft«. Das kapiere ich auch nicht. Wieso muss denn jeder für die moderne Gesellschaft sein? Ich schwöre bei der Fahne Südtirols, dass ich mich niemals piercen lasse, und ich trinke auch keinen Bubble-Tea, egal, wie modern es ist. Ein anderer Experte sagte auf ZEIT ONLINE, zu den Vorbildern der Naziband gehöre der Politiker Heinz Buschkowsky – der ist in der SPD! Wenn sogar die SPD schon faschistisch ist, Himmel, was bleibt dann noch übrig?
Offenbar soll man in der modernen Jugendmusik immer nur, Song für Song, das grüne Parteiprogramm vertonen. Ich habe mir natürlich nicht sämtliche Texte von Frei.Wild angeschaut, aber hey, die Ankläger werden doch hoffentlich in ihrer Anklage die härtesten Stellen bringen, oder? Was ich aber gemacht habe: Ich habe die Texte von früheren Echo-Gewinnern gelesen. Der Rapper Sido: »Ich hab keinen Bock auf Spasten.« Oder: »Michel Friedman – scheiße! Ich kann euch nicht leiden, nicht riechen. Ihr wart als Kinder schon scheiße.« Tut mir leid, da höre ich ein gewisses Ressentiment gegen Behinderte und Juden heraus. Aber der kriegt einen Kulturpreis.
Wobei man der Gerechtigkeit halber sagen muss, dass Bushido, Träger mehrerer Echos und eines Ehren-Bambis für Verdienste um die Integration, die härteren Texte hat. In der ersten Fassung dieser Kolumne hatte ich zwei Bushido-Zitate untergebracht. Nennt mich meinetwegen einen Nazi, aber im Vergleich zu dessen Texten finde ich die Zeile »Südtirol, wir tragen deine Fahne« eigentlich fast poetisch und old school. Daraufhin meldete sich die Redaktion. Die Bushido-Zitate stünden auf dem Index. Wenn ich das bringe, muss die ZEIT offenbar unterm Ladentisch verkauft werden.
Bushido sitzt in Talkshows, tritt mit Horst Seehofer auf, sein Leben wurde verfilmt. Kann das denn wirklich nur damit zusammenhängen, dass Bushido kein Südtiroler ist?
Ich werde niemals kapieren, wieso Rainer Brüderle für den Satz »Sie können ein Dirndl ausfüllen« einen Shitstorm erntet, während Bushido mit tausendmal sexistischeren Sätzen einen Ehren-Bambi für Verdienste um die Integration bekommt.
Die moderne Gesellschaft ist, bei aller Modernität, oft ein bisschen ungerecht. Darf man das so formulieren?
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Über gefährliche Witze von Harald Martenstein vom
Über gefährliche Witze.
Von Harald Martenstein 16. Juli 2015
In England und den USA gibt es die schöne Tradition. Reden mit Scherzen zu würzen.
Die Scherze dürfen ruhig frech und ein wenig anzüglich sein.
Als der Nobelpreisträger Sir Tim Hunt in Südkorea vor jungen Wissenschaftlern gesprochen hat, begann er so:
„Es ist seltsam, dass ein chauvinistisches Monster, wie ich, gefragt wurde, vor Wissenschaftlerinnen zu sprechen. Lassen sie mich von meinen Problemen mit Frauen erzählen. Drei Dinge passieren, wenn sie im Labor sind:
Du verliebst dich in sie, sie verlieben sich in Dich, und wenn du sie kritisierst, dann fangen sie an zu heulen. Vielleicht sollten wir getrennte Labore für Männer und Frauen einrichten? Spaß beiseite, ich bin beeindruckt von der wirtschaftlichen Entwicklung Koreas. Und Wissenschaftlerinnen spielen dabei zweifellos eine wichtige Rolle.
Wissenschaft braucht Frauen, und sie sollten Wissenschaft betreiben trotz all der Hindernisse und solcher Monster wie mir."
Daraufhin brauch ein Shitstorm los wegen Sexismus.
Hunt wurde gezwungen als Wissenschaftler zurückzutreten, auch aus der Royal Society wurde er ausgestoßen.
Es hat ihm nichts genützt, dass er sich entschuldigt hat.
Als der Londoner Bürgermeister Boris Johnson sich vor ihn stellte und den „unerbittlichen Moloch politische Korrektheit“ anprangerte, wurde auch Johnson sofort bedroht.
Eine Abgeordnete sagte: „Johnson macht sich schuldig im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes.“
Hunt arbeitete übrigens in der Zellforschung, seine Forschungsergebnisse retten vielleicht Tausenden von krebskranken Frauen das Leben.
Jetzt ist er erledigt, Berufsverbot, und kann niemanden mehr retten.
Mich wundert, dass keiner die Parallelen zwischen diesem Fall und den Anschlägen auf Charlie Hebdo gesehen hat.
Natürlich ist es ein Unterschied, ob man Leute erschießt oder ob man sie nur beruflich vernichtet. Aber in beiden Fällen geht es darum, dass Menschen es nicht ertragen, wenn über etwas Scherze* gemacht wird, das sie für unantastbar halten.
Und in beiden Fällen wird mit äußerster Unbarmherzigkeit vorgegangen, um ein Klima der Angst zu schaffen.
Und die Akteure sind nicht „der“ Islam oder „der“ Feminismus, sondern radikale Gruppen.
Nein, noch deutlicher ist vielleicht die Parallele zum Amerika der McCarthy-Ära, als auf alles Linke eine Hexenjagd veranstaltet wurde und als jeder zum Kommunisten gestempelt wurde, der sich mit einem Buch von Bert Brecht erwischen ließ.
Warum gibt es gegen eine so offensichtliche Ungerechtigkeit wie im Fall Hunt in den Medien keinen sogenannten Aufschrei?
Der Fall berührt ja den Kern unseres Berufes, die Freiheit des Wortes.
Und dabei spielt es keine Rolle, ob man den Scherz* von Hunt für dumm oder misslungen hält. Man kann nicht sagen, in Zukunft sind nur noch gute Witze erlaubt, schlechte sind verboten.
Wenn falsche Meinungen oder falsche Witze in Zukunft den sofortigen Jobverlust zur Folge haben, dann gibt es für freie Medien keine Basis mehr.
In der Zeit wird über die Glaubwürdigkeitskrise der Medien diskutiert. Ich glaube, diese Krise hängt auch mit solchen Fällen zusammen.
Wenn wieder mal ein Shitstorm tobt, dann heulen zu viele von uns mit den Wölfen, statt den Bedrängten beizustehen, unabhängig davon, ob man ihre Ansicht teilt oder nicht.
Wir verteidigen unsere Werte nicht, wir haben die Hosen voll, aber ich vermute, dass die meisten unserer Leserinnen und Leser etwas mehr Mut von uns erwarten.
Der Forscher Hunt, dem die Menschheit manches verdankt, ist erledigt.
Wer ist der oder die Nächste?
Ende der Artikeles
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* Es war kein Scherz! Hunt hat nur die Wahrheit gesagt!!!
Welcher dieser Antidiskriminierungsbeauftragten will sich im Nachhein sagen lassen, dass sie vorschnell und unüberlegt gehandelt haben mit der extremsten alles Auswirkungen: Der Diskriminierung von Tim Hunt?
Wer schützt uns von Antidiskriminierungsbeauftragten und dem Antidiskriminierungsgesetz?
Sollen/wollen wir uns von Antidiskriminierungsbeauftragten auch noch das "Wahrheit sagen" verbieten lassen?
Nur, was kann man anders von Antidiskriminierungsbeauftragten erwarten?
Ich denke, da sind diese schwer überfordert!!! - denn unsere "wissenwiedergebenden" Philosophen sind auch nicht in der Lage hier Klarheit (durch DENKEN und NACHDENKEN) zu schaffen.
Deshalb mein Appell an die Philosophen: Fangt endlich an zu DENKEN !!!!!!!!!!! Diesen Artikel von Harald Martenstein "Über gefährliche Witze" findest Du auch unter der Nr. 310 "Appell an alle Philosophen"
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Über einen neuen Friseur und ein moralisches ...
Über einen neuen Friseur und ein moralisches Dilemma
ZEITmagazin Nr. 37/2015 29. September 2015
Ich traf einen Freund. Er erzählte, dass er mit seinen Kindern seit Jahren zu einem bestimmten Friseur gegangen ist, einem kleinen Laden mit zwei, drei Angestellten. Der Friseur nahm 10 Euro. Jetzt habe er auf 15 Euro erhöht, wegen des Mindestlohns.
"Ist doch okay", sagte ich.
"Ein paar Meter weiter hat allerdings ein neuer Friseur aufgemacht. Er ist ein Flüchtling aus Syrien. Er hat keine Angestellten, schneidet alle selbst und nimmt 10 Euro. Der Syrer ist nett und auch sehr gut. Also gehen wir jetzt zu ihm."
Es sei ein komisches Gefühl, wenn er an dem anderen Salon vorbeigehe, in dem weniger los sei als früher. Der deutsche Friseur sei ja auch nett und gut gewesen. Er frage sich, sagte der Freund, ob der deutsche Friseur jetzt ausländerfeindliche Gedanken hege. "Verstehen könnte ich es", sagte der Freund. "Es wäre falsch, es ist abzulehnen, aber es wäre menschlich nachvollziehbar. Möglicherweise muss er den Laden zumachen, wenn noch mehr Konkurrenz kommt. Ihn zu fragen, was er denkt, traue ich mich nicht."
Wir erschraken vor der Erkenntnis, dass es vermutlich tatsächlich Leute gibt, die aufgrund des Flüchtlingsstroms etwas verlieren. Es wird wohl so sein. Arbeitet dieser Gedanke nicht den Rechtsradikalen in die Hände? In der DDR hieß es: Bestimmte Gedanken darfst du nicht gar nicht erst denken, weil diese Gedanken dem Feind nützen.
Dann unterhielten wir uns über die Kulturszene und die Medienszene, unser Milieu. Es ist ja eine Tatsache, dass auch in unserem Milieu auf den Verlust von Geld, von Privilegien oder von Stellen in der Regel mit Verärgerung reagiert wird, auch in diesem Fall: verständlicherweise. Wenn irgendwo ein Theater dichtgemacht wird, verbreitet die Theaterszene sogar manchmal eine regelrechte Weltuntergangsstimmung. Dann tobt sie vor Wut. Was würde passieren, wenn in Berlin eine Oper geschlossen wird oder die Akademie der Künste, mit der Begründung, wir verwenden das Geld lieber für Flüchtlinge, die haben es nötiger? "Das werden sie nicht machen", sagte ich.
"Nein", sagte er. "Das machen sie nicht. Die Flüchtlinge sind nur eine Bedrohung für die kleinen Leute, die keine so tolle Ausbildung haben. Da findet ein Konkurrenzkampf zwischen zwei Gruppen statt, die beide, auf unterschiedliche Weise, die Arschkarte gezogen haben. Die Artikel und die Fernsehsendungen werden allerdings ausschließlich von Leuten gemacht, für die es vorerst keinerlei Bedrohung ihres Lebensstandards durch die Flüchtlinge gibt. Wenn morgen der kleine Friseur auf einer Demo auftaucht und rechte Parolen ruft, ist er in den Medien der Satan, aber in Wirklichkeit ist er eher ein armer Teufel. Oder er ist beides gleichzeitig. Kein Wunder, dass solche Leute oft einen Hass auf die Medien haben."
"Dann geh doch wieder zu dem deutschen Friseur. Tu was gegen Ausländerfeindlichkeit, indem du deinen Kindern für 15 Euro von einem Deutschen die Haare schneiden lässt."
"Und was wird dann aus dem Syrer?"
Über einen neuen Friseur und ein moralisches ...
"Du könntest ein Kind zu dem Deutschen schicken und ein Kind zu dem Syrer." Der Freund schüttelte den Kopf. Stimmt, er hat fünf Kinder. Da gibt es keine einfache Lösung. Aber immer, wenn ich Reportagen lese oder sehe, in denen die einen nur Opfer sind und die anderen nur Täter, denke ich, so ist das Leben doch meistens nicht, in Wirklichkeit ist es doch meistens komplizierter.
"Vielleicht irre ich mich", sagte der Freund. "Vielleicht hängt der deutsche Friseur morgen ein Schild mit der Aufschrift ›Refugees welcome‹ ins Fenster."
Dann wäre er natürlich ein viel größerer Held als jeder Fernsehmoderator, dem bei Flüchtlingsbildern vor der Kamera die Tränen kommen.
Es ist einfacher, ein guter Mensch zu sein, wenn man dabei nichts zu verlieren hat.
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Über Frauenbilder in der Werbung
Über Frauen in der Werbung Von Harald Martenstein
ZEITmagazin Nr. 18/2015 19. Mai 2015
In Berlin-Kreuzberg soll sexistische und frauenfeindliche Werbung verboten werden. So wurde es vom Bezirksparlament, grüne Mehrheit, vor einiger Zeit beschlossen. Sie können es nur auf den Werbeflächen verbieten, die dem Bezirk gehören.
Aber was genau ist "frauenfeindliche Werbung"? Um dies herauszufinden, haben sie eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen.
Die Arbeitsgruppe fordert unter anderem, dass keine Frauen mehr gezeigt werden dürfen, die "körperbetont gekleidet und ohne Anlass lächelnd inszeniert" sind, während der Mann "bequem gekleidet ist". Es sollen auch auf bezirklichen Werbeflächen nie wieder Bilder von Frauen zu sehen sein, die "mit großer Freude im Haushalt beschäftigt" sind. Außerdem sollen Frauen nicht mehr als "dumm" oder "naiv" dargestellt werden. Wenn in Kreuzberg ein naiver Mensch auf einem Plakat zu sehen ist, dann muss es sich um einen Mann handeln, sonst gibt es Probleme. Bilder von Charlie Chaplin als Tramp darf man noch zeigen, auch den Herrn Hoppenstedt von Loriot. Bilder von Marilyn Monroe oder von Verona Pooth auf gar keinen Fall, zumal beide ihren Körper "betont bekleiden". Eine Frau aus der Arbeitsgruppe sagt: "Wir sind gegen die Stigmatisierung von Frauen als schwache Menschen."
Das alles wird im Einzelfall schwierig zu entscheiden sein. Wie verhält sich das Bezirksamt, wenn auf dem Plakat eine muskelbepackte Frau zu sehen ist, die mit dem Vorschlaghammer ihr altes Auto zertrümmert, und druntersteht: "Ihren neuen Wagen findet sie im Autohaus Schulze"? Die Frau ist als ein starker Mensch dargestellt. Andererseits ist es dumm, ein altes Auto zu zertrümmern, statt es gebraucht zu verkaufen. Jeder Betrachter wird denken: "Diese Frau ist dumm. Die Karre hätte noch locker 1.000 Euro gebracht."
Besonders schade fände ich es, wenn anlassloses Lächeln verboten wird. Ich freue mich immer, wenn jemand mich anlächelt, egal, was die Person anhat. Das ist doch schön. Jedes Verbot einer schönen Sache ist wie ein kleiner Tod. Und wie wollen die eigentlich herausfinden, ob das Lächeln nicht vielleicht doch einen Anlass hat? Vielleicht denkt die Frau auf dem Plakat gerade an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg.
Von männerfeindlicher Werbung ist höchstens am Rande die Rede. Männer halten offenbar Sexismus eher aus als Frauen, warum? Weil sie so stark sind. Das hat Vorteile für uns Männer. Wir dürfen lächeln, wo und wann wir wollen, auch beim Geschirrspülen in Badehose, und keine Bezirksrätin darf uns fragen, warum. Die Frau dagegen braucht angeblich Naturschutzgesetze, ähnlich wie die Pandabären. Das Bezirksamt Kreuzberg stigmatisiert Frauen als schwache Menschen und müsste, nach seinen eigenen Kriterien, verboten werden.
Immer wenn ich über solche Sachen schreibe, muss ich an früher denken. Früher sind solche Verbotsforderungen von der katholischen Kirche gekommen. Da ging es auch oft um Sitte und Anstand, sie wollten Filme von Ingmar Bergman oder Herbert Achternbusch verbieten. Ich war dagegen und wurde als linke Sau beschimpft. Heute schreibe ich exakt das Gleiche wie vor dreißig Jahren, nur habe ich mich offenbar von einer linken Sau in eine reaktionäre Sau verwandelt. Der Unterschied zu damals besteht darin, dass damals fast alle Intellektuellen die Freiheit verteidigt haben, einschließlich der Freiheit, dumm zu sein und sich dabei fotografieren zu lassen. Sie wollen das Lächeln verbieten? Für mich klingt das nach George Orwell, 1984.
Diesen Artikel werde ich auch unter meiner Nr. 305 „Der Gleichstellungswahn der orientierungslosen Gleichstellungsbeauftragten“ veröffentlichen.
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Über einen neuen Friseur und ein moralisches ...
Über einen neuen Friseur und ein moralisches Dilemma
Von Harald Martenstein. ZEITmagazin Nr. 37/2015 vom 29. September 2015
Ich traf einen Freund. Er erzählte, dass er mit seinen Kindern seit Jahren zu einem bestimmten Friseur gegangen ist, einem kleinen Laden mit zwei, drei Angestellten. Der Friseur nahm 10 Euro. Jetzt habe er auf 15 Euro erhöht, wegen des Mindestlohns.
"Ist doch okay", sagte ich.
"Ein paar Meter weiter hat allerdings ein neuer Friseur aufgemacht. Er ist ein Flüchtling aus Syrien. Er hat keine Angestellten, schneidet alle selbst und nimmt 10 Euro. Der Syrer ist nett und auch sehr gut. Also gehen wir jetzt zu ihm."
Es sei ein komisches Gefühl, wenn er an dem anderen Salon vorbeigehe, in dem weniger los sei als früher. Der deutsche Friseur sei ja auch nett und gut gewesen. Er frage sich, sagte der Freund, ob der deutsche Friseur jetzt ausländerfeindliche Gedanken hege. "Verstehen könnte ich es", sagte der Freund. "Es wäre falsch, es ist abzulehnen, aber es wäre menschlich nachvollziehbar. Möglicherweise muss er den Laden zumachen, wenn noch mehr Konkurrenz kommt. Ihn zu fragen, was er denkt, traue ich mich nicht."
Wir erschraken vor der Erkenntnis, dass es vermutlich tatsächlich Leute gibt, die aufgrund des Flüchtlingsstroms etwas verlieren. Es wird wohl so sein. Arbeitet dieser Gedanke nicht den Rechtsradikalen in die Hände? In der DDR hieß es: Bestimmte Gedanken darfst du nicht gar nicht erst denken, weil diese Gedanken dem Feind nützen.
Dann unterhielten wir uns über die Kulturszene und die Medienszene, unser Milieu. Es ist ja eine Tatsache, dass auch in unserem Milieu auf den Verlust von Geld, von Privilegien oder von Stellen in der Regel mit Verärgerung reagiert wird, auch in diesem Fall: verständlicherweise. Wenn irgendwo ein Theater dichtgemacht wird, verbreitet die Theaterszene sogar manchmal eine regelrechte Weltuntergangsstimmung. Dann tobt sie vor Wut. Was würde passieren, wenn in Berlin eine Oper geschlossen wird oder die Akademie der Künste, mit der Begründung, wir verwenden das Geld lieber für Flüchtlinge, die haben es nötiger? "Das werden sie nicht machen", sagte ich.
"Nein", sagte er. "Das machen sie nicht. Die Flüchtlinge sind nur eine Bedrohung für die kleinen Leute, die keine so tolle Ausbildung haben. Da findet ein Konkurrenzkampf zwischen zwei Gruppen statt, die beide, auf unterschiedliche Weise, die Arschkarte gezogen haben. Die Artikel und die Fernsehsendungen werden allerdings ausschließlich von Leuten gemacht, für die es vorerst keinerlei Bedrohung ihres Lebensstandards durch die Flüchtlinge gibt. Wenn morgen der kleine Friseur auf einer Demo auftaucht und rechte Parolen ruft, ist er in den Medien der Satan, aber in Wirklichkeit ist er eher ein armer Teufel. Oder er ist beides gleichzeitig. Kein Wunder, dass solche Leute oft einen Hass auf die Medien haben."
"Dann geh doch wieder zu dem deutschen Friseur. Tu was gegen Ausländerfeindlichkeit, indem du deinen Kindern für 15 Euro von einem Deutschen die Haare schneiden lässt."
"Und was wird dann aus dem Syrer?"
"Du könntest ein Kind zu dem Deutschen schicken und ein Kind zu dem Syrer." Der Freund schüttelte den Kopf. Stimmt, er hat fünf Kinder. Da gibt es keine einfache Lösung. Aber immer, wenn ich Reportagen lese oder sehe, in denen die einen nur Opfer sind und die anderen nur Täter, denke ich, so ist das Leben doch meistens nicht, in Wirklichkeit ist es doch meistens komplizierter.
"Vielleicht irre ich mich", sagte der Freund. "Vielleicht hängt der deutsche Friseur morgen ein Schild mit der Aufschrift ›Refugees welcome‹ ins Fenster."
Dann wäre er natürlich ein viel größerer Held als jeder Fernsehmoderator, dem bei Flüchtlingsbildern vor der Kamera die Tränen kommen.
Es ist einfacher, ein guter Mensch zu sein, wenn man dabei nichts zu verlieren hat.
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Ehrlichkeit bei Bewerbungsgesprächen
Über die Unmöglichkeit, Schwächen zuzugeben. Von Harald Martenstein
Untertitel: Ehrlichkeit bei Bewerbungsgesprächen
ZEITmagazin Nr. 39/2015 vom 13. Oktober 2015
Wie ich dem Internet entnehme, gibt es im Englischen seit ein paar Jahren ein neues Wort für eine unangenehme Eigenschaft, das Wort heißt humblebragging. Es setzt sich aus humble zusammen, was "bescheiden" heißt, und aus to brag, angeben.
Auf Deutsch könnte man vielleicht "leidprahlen" sagen. Ein Leidprahler lebt auf der Sonnenseite, aber er tut so, als ob es ihm mies gehe.
"Ich habe all die Jahre wahnsinnig unter dem Leistungsdruck und der ständigen Überforderung gelitten, im Grunde hätte ich als Lehrer ein erfüllteres Leben gehabt" – falls Thomas Gottschalk so einen Satz sagen würde, dann wäre dies humblebragging.
Eine Studie belegt angeblich, dass die meisten Leute einen ehrlichen Angeber sympathischer finden als einen Leidprahler. Ein in sich ruhendes Großmaul findet man immer noch besser als einen pseudobescheidenen Heuchler. Die Beliebtheit des US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump spricht ja auch für diese These.
In der Studie des Forschertrios Sezer, Gino und Norton wird auch die Frage "Was sind Ihre größten Schwächen?" analysiert, diese Frage wird gern in Bewerbungsgesprächen gestellt. Die am häufigsten gegebene Antwort lautet: "Meine größte Schwäche ist, dass ich so perfektionistisch bin." Dies sagten in der Versuchsgruppe 33 Prozent. 25 Prozent gaben als größte Schwäche an, dass sie immer viel zu hart arbeiten. 15 Prozent sagten, sie seien zu nett.
Das heißt, die Leute nennen eine Stärke, die sie aber heuchlerisch als Schwäche ausgeben.
Andererseits, dachte ich mir, was sollen die Leute im Bewerbungsgespräch denn sonst antworten?
Sollen sie ehrlich sein? "Ich bin schon manchmal ein bisschen faul"?
Bei mindestens 33 Prozent der Bewerber würde das sicher zutreffen, und vielleicht sind das gar nicht mal die schlechtesten Mitarbeiter.
Wenn ich als Personalchef die Wahl hätte zwischen einem der 33 Prozent Faulen und einer Person aus dem 25-Prozent-Pool, die wahrheitsgemäß sagen: "Ich bin ein intrigantes Schwein", oder aber einem von den 15 Prozent, die ehrlich zugeben: "Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist leider mein Hobby", dann würde ich im Interesse des Betriebsfriedens einen von den Faulen nehmen.
Ich kenne viele faule Menschen, die in ihren wenigen aktiven Momenten echt gute Sachen machen.
Falls ich jemals im Leben noch mal ein Bewerbungsgespräch absolvieren muss, und ich werde nach meiner größten Schwäche gefragt, dann werde ich antworten: "Meine größte Schwäche ist, dass ich auf blöde Fragen keine Antwort gebe." Ich würde, als Personalchef, so jemanden einstellen.
Als ich dann noch mal die Liste mit den beliebtesten Antworten las, ist mir doch ein bisschen schwummrig geworden. Im Grunde trifft das meiner Meinung nach alles total auf mich zu. Ja, ich bin perfektionistisch, gewiss, ich arbeite zu viel, und, dies vor allem, ich bin zu nett. Vielleicht irre ich mich. In Wirklichkeit bin ich vielleicht ein fauler Schluri und ein Ekelpaket, aber wer gibt das denn vor sich selbst zu?
Das heißt, die vermeintlichen Bewerbungsgesprächsheuchler und die Leidprahler sagen in Wirklichkeit nur das, was sie für die Wahrheit halten.
Um ehrlich zu wirken, müssten sie lügen.
Sie sollten herausfinden, was ihr Gegenüber für ihre Schwäche hält, diese Schwäche sollten sie zum Schein zugeben.
Was für eine durch und durch verdorbene und verkommene Welt dies doch ist!
Was hat ein netter Junge wie ich auf diesem Planeten überhaupt verloren?
Ich jammere gern. Das ist auch eine Schwäche.
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Nachtrag von mir:
Wen Dich interessiert, was die Wahrheit und die Wirklichkeit ist, dann lies
- die Nr. 272 "Was ist die Wahrheit?"
- die Nr. 48 "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?"
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Über Ehrlichkeit in der Öffentlichkeit.
Über Ehrlichkeit in der Öffentlichkeit. Von Harald Martenstein
ZEITmagazin Nr. 31/2015 vom 18. August 2015
Monica Lierhaus hat erzählt, wie sie sich als Behinderte wirklich fühlt. Sofort hagelte es böse Kommentare.
Müssen wie in Zukunft unsere Gefühle einer Norm anpassen?
Die frühere Sportreporterin Monica Lierhaus ist behindert. Sie hat eine Gehirnoperation machen lassen, dabei ging etwas schief. Ohne die Operation wäre sie wahrscheinlich gestorben.
In einem Interview hat sie gesagt, dass sie, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte, auf diese Operation verzichten würde. Dann wäre sie heute tot, oder? Dazu sagt Monica Lierhaus: "Egal. Dann wäre mir vieles erspart geblieben."
Wenn ich so etwas lese, also, wenn ein Mensch ehrlich zu sein scheint und ungeschützt redet, dann weiß ich schon vorher, was passieren wird.
Einige Zitate aus dem Internet gefällig?
"Sie stellt das Leben von Menschen mit Behinderung infrage." – "Sie zeichnet ein falsches Bild." – "Sie wertet das Leben von Behinderten ab."
Und natürlich darf die Mutter aller Internetkommentare nicht fehlen – diese Formulierung finden Sie im Netz unter so gut wie jedem Text, der in irgendeiner Weise von Belang ist. Sie lautet: "Einfach armselig."
Wenn ich irgendwo Chef wäre, würde ich eine Rubrik mit dem Titel "Leute verteidigen" einführen.
In jeder Ausgabe müsste ein Mensch gegen diese Art von Dreck verteidigt werden, gegen dieses "Einfach armselig".
Lierhaus redet über sich, über ihre Verzweiflung, und das ist halt etwas anderes als ein Kirchentagserbauungsartikel. Irgendwo habe ich dieses hübsche Wort gelesen, Kirchentagserbauungsartikel. Ich habe keine Ahnung davon, wie es ist, behindert zu sein. Aber schön ist es bestimmt nicht. Man braucht Mut, Kraft und Optimismus, vermute ich, und von diesen Eigenschaften hat nicht jeder genug. Jeder Mensch ist anders.
Der eine Behinderte verbittet sich Mitleid, der oder die andere will in den Arm genommen und getröstet werden, und keiner dieser Wünsche ist richtig oder falsch.
Müssen wir in Zukunft unsere Gefühle einer Norm anpassen?
Wenn Leute auf die Frage "Wie geht es Ihnen?" nicht die Wahrheit antworten dürfen, wenn sie lügen sollen, alles prima, alles supi, dann haben wir es mit einer durch und durch verlogenen Gesellschaft zu tun.
In diese Richtung bewegen wir uns.
Siehe dazu die Nr. 183a: "Wenn Gesetze Menschen dazu bringen zu lügen, dann ist es das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen."
Im Fernsehen wird pausenlos zur Toleranz aufgerufen.
Aber damit ist in der Regel nicht die Toleranz mit denen gemeint, die, wie Monica Lierhaus, "ein falsches Bild zeichnen".
Die Intimitätsgrenzen existieren nicht mehr, die Leute gehen zu Big Brother und stellen ihre privaten Pornos ins Netz, das ist okay.
Aber wenn eine Frau sagt, dass sie lieber tot wäre, dann muss sie über sich lesen, sie sei "einfach armselig".
Also, ich war voll dabei, mich aufzuregen, als ich im Internet auf diesen Kommentar stieß, einen guten Kommentar.
"Ich frage mich, woher diese große Sehnsucht kommt, anderen Menschen vorzuschreiben, was sie zu denken und zu sprechen haben. Ist es nicht eine notwendige Voraussetzung für einen gesellschaftlichen Diskurs, dass Menschen ehrlich ihre persönliche Sichtweise äußern, ohne sich darum zu scheren, ob sie nun die Agenda von anderen Menschen untergräbt? Kann man sich wirklich wünschen, dass abweichende Meinungen nicht mehr öffentlich geäußert werden?"
Ja, wie ist dieser Dämon auf die Welt gekommen? Ich glaube, den gab es schon immer.
In jedem steckt ein Diktator, auch in mir.
Ich habe auch schon Leute fertiggemacht.
Wir sind frei und nutzen unsere Freiheit, um andere zu unterdrücken, ist das die traurige Wahrheit?
In meinen düstersten Momenten bin ich wirklich für die Wiedereinführung der absoluten Monarchie.
Ich bin einfach armselig.
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Über freies Schreiben und die Schere im Kopf
Über freies Schreiben und die Schere im Kopf. Von Harald Martenstein
ZEITmagazin Nr. 31/2017 27. Juli 2017
Wenn ich Schreibkurse gebe, sage ich immer: Schaltet die inneren Zensurinstanzen aus. Schreibt, was ihr wirklich denkt. Habt keine Angst. Dann wird es gut. Man muss ganz nah bei sich selbst sein. Man muss die Erwartungen der anderen ignorieren. Man muss versuchen, das zu schreiben, was man selber gern lesen würde. Dann wird es auch anderen gefallen, nicht allen, das niemals, aber vielen. Es gibt immer viele, die ähnlich ticken wie du. Wenn du auf Nummer sicher gehst, wird niemand wütend sein, aber es wird auch keinen vom Hocker reißen. Mach dich angreifbar. Klar, es gibt Grenzen. Schreib los, sage ich, hinterher kannst du immer noch überprüfen, ob du vielleicht zu weit gegangen bist.
So rede ich also. Aber in Wirklichkeit habe auch ich eine Schere im Kopf. Ich erkläre das an einem Beispiel, wie Jan Böhmermann damals die Grenzen des Erlaubten im Falle Erdoğan. Nehmen wir an, ich würde einen Text über Trump schreiben, der so geht: "Zwei Moderatoren haben Donald Trump in ihrer Show als 'krank' und 'gestört' bezeichnet. Daraufhin twitterte Trump, der eine Moderator sei verrückt und seine Kollegin habe einen niedrigen IQ. Da würde ich sagen: eine angemessene Antwort. Maßvoll. Er hätte ja auch klagen können. Sicher, sein Gegenangriff war nicht präsidentenmäßig. Aber die Moderatoren haben sich auch nicht gerade so benommen, wie Moderatoren sich benehmen sollten. Ein Kollege schrieb, dieser Tweet von Trump sei Teil seines 'Krieges gegen kritische Journalisten'. Wenn kritischer Journalismus bedeutet, dass man Politiker, die man nicht mag, als krank und gestört bezeichnet, dann habe ich irgendwas an der Veränderung dieses Berufsbilds nicht mitbekommen. Was würde eigentlich passieren, wenn im deutschen Fernsehen eine Moderatorin, etwa Maybrit Illner, Angela Merkel als krank und gestört bezeichnet? Und sie koffert zurück, obwohl das sonst nicht ihre Art ist? Aber sie klagt nicht? Würde man da auch sagen, das sei Krieg gegen den kritischen Journalismus?"
Ende des Beispiels. So was geht mir manchmal durch den Kopf. Verboten ist es nicht. Ich würde von der Redaktion, irgendeiner, vermutlich einen langen Katalog mit Fragen und Änderungswünschen zugeschickt bekommen. Ein mühsamer Prozess beginnt. Man würde zugeben müssen, dass die Fakten stimmen, aber ich hätte nicht alle Fakten berücksichtigt. Der Text würde mit etlichen Veränderungen vielleicht kommen, falls ich bereit bin, wie ein Löwe dafür zu kämpfen.
Das kann ich nicht, aus zwei Gründen. Erstens bin ich von meiner eigenen Meinung nie ganz überzeugt, ich denke immer, dass die anderen vielleicht Recht haben könnten. Zweitens kommt es mir lächerlich vor, um kleine Meinungspartikel zu kämpfen, als sei so ein Artikel ein Kommuniqué der Vereinten Nationen. Vielleicht würde ich den Text trotzdem umschreiben, mehr Abscheu gegen Trump, vielleicht würde ich einen Ersatztext liefern, zu etwas Unverfänglichem. In jedem Fall stünde am Ende die Erkenntnis, dass es sehr anstrengend ist, die Mainstream-Regeln zu verletzen, und dass man ein Quertreiber ist. So entsteht die Schere im Kopf.
Das soll nicht selbstmitleidig klingen. Es gibt Regeln, und es gibt meinen Kopf, beides passt nicht zusammen, fertig. Deshalb, um nicht schizophren oder feige zu werden, habe ich beschlossen, dieser Kolumne ein Facelifting zu verpassen. Bis auf Weiteres schreibe ich an dieser Stelle nichts mehr über Politik, freiwillig, nicht aus Zwang, nur aus Müdigkeit. Ich will frei sein. Falls Sie die Kolumne zufällig mögen – kein Grund zur Sorge. Ich habe auch andere Sachen auf Lager.
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Über Datenschutz für Hunde vom 31.05.2018
Über Datenschutz für Hunde
Von Harald Martenstein vom 31.05.2018
Wenn ich über Privates schreibe, etwa über meinen Hund, bekomme ich hinterher oft Mails, in denen ich aufgefordert werde, dies zu unterlassen. Es gebe doch so viele wichtige politische Probleme, die einer Erörterung harren. Ich schreibe halt immer über das, was mich gerade beschäftigt. In eitlen Momenten denke ich: In hundert Jahren wird dies in der Charlotte-Roche-Gesamtschule den Schüler*innen zur Abschreckung im neuen Fach »Vergangenheitsbewältigung« vorgelesen. Aber dann denke ich, nein, es ist ja nicht in leichter Sprache verfasst.
Außerdem ist das Private immer politisch. Ich habe einen herzkranken Hund. Der Hund und ich waren bei einem Hundekardiologen, der Kardiologe stellte eine Diagnose und sagte, dass er die Diagnose sowie den Namen des von ihm empfohlenen Medikaments an die Hausärztin schicken werde. Warum man die Pillen nicht gleich bei ihm mitbekommt, weiß ich nicht. Zwei Wochen später rief ich bei der Hundehausärztin an. Sie sagte, es sei nichts angekommen. Daraufhin rief ich wieder bei dem Spezialisten an. Die Sprechstundenhilfe – Moment, dafür gibt es inzwischen bestimmt ein gerechteres Wort, vielleicht Sprechstundenhelfende. Diese Person also sagte, sie könne die Diagnose aus Datenschutzgründen nicht mit der Post senden. Ich hätte beim letzten Besuch eine Einwilligungserklärung unterzeichnen müssen, in der steht, dass ich mit der Weitergabe medizinischer Daten meines Hundes an Dritte einverstanden bin.
Es gibt neuerdings Datenschutz für Hunde. Ich kenne meinen Hund. Wenn er reden könnte, würde er sagen: »Jeder darf wissen, wie ich heiße. Ich bin der Lenny. Datenschutz ist mir schnurz. Wenn die Regierung etwas für mich tun will, dann bitte ich um eine Katzensteuer, aus deren Ertrag jedem Hund täglich ein Leckerli zugeteilt wird.«
Die Verordnung ist ein Werk der EU. Sie heißt Datenschutz-Grundverordnung DSGVO 2016/679, gilt ab diesem Mai und wurde »aufgrund des im öffentlichen Interesse liegenden Wohls von Tieren« verfasst. Ich habe vier eng bedruckte Seiten über die DSGVO gelesen, die der Jurist Ole Ziegler verfasst hat. Die Verordnung gilt auch für Goldfische, Zierquallen und Meerschweinchen. Tierärzte, die den Datenschutz von Goldfischen nicht ernst nehmen, werden mit einem Bußgeld von bis zu 20 Millionen Euro bedroht. Wer sich in der EU so etwas ausdenkt, braucht selber einen Arzt.
Es geht aber auch um den Schutz des Tierhalters. Tiernamen würden Rückschlüsse auf den Tierhalter zulassen. Wenn ein Goldhamster »Adolf« oder ein Molch »Djihad« heißt, kann man ja tatsächlich ins Grübeln kommen. Und wer seine Wasserschildkröte »Laura Himmelreich« nennt, nach der tapferen Journalistin, die Rainer Brüderle als Sexmonster enttarnt hat, der sät Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Kampfes gegen Sexismus. Außerdem könnten, so die EU, Informationen über den Gesundheitszustand eines Haustiers Schlüsse auf die Gesundheit des Halters zulassen und auf Mängel in der Tierhaltung. Menschen, die eine Siamkatze mit Gewichtsproblem ihr Eigen nennen, essen selber sicher auch nicht gerade wenig, ganz zu schweigen von einer Bulldogge mit Trinkerleber.
So etwas fällt unter den Fachbegriff »Nanny-Staat«, das kann man googeln. Interessanterweise werden zwar die Daten der Tiere von der EU mit großem Aufwand geschützt, die Tiere selbst dagegen müssen mit einem deutlich geringeren Schutzfaktor auskommen, ich erinnere an die Schlachthöfe. Die Hundedaten-Einwilligungserklärung muss laut EU übrigens in »leichter Sprache« verfasst sein, damit niemand überfordert wird.
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Ich erinnere in diesem Zusammenhang an meinen Spruch vom 10.03.2015:
"Datenschützer schützen nur Daten - nicht Menschen."
Diesen Spruch erweitere ich heute, am 31.05.2018:
"Datenschützer schützen nur Daten - nicht Menschen und auch keine Tiere."
Darüber sollte mal nachdedacht werden!!!
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Über schwindende Intelligenz vom 02.08.2018
Über schwindende Intelligenz von Harald Martenstein vom 02.08.2018
ZEITmagazin Nr. 32/2018
Ich habe eine nachdenklich machende Mail bekommen, auf Englisch. Hier die gekürzte Übersetzung: »Wir sind von der Homeland Security und dem FBI damit beauftragt worden, Sie wegen Geldwäsche und Terrorismus zu verfolgen. Die Indizien sind überwältigend. Innerhalb von 72 Stunden werden Sie verhaftet. Sie können der Verhaftung entgehen, indem Sie 66 Dollar mit Western Union an die folgende Adresse überweisen.« Der Geldeinzieher des FBI wohnt in Cotonou, Republik Benin.
Wenn solche Mails völlig erfolglos blieben, dann würde sich keiner mehr die Mühe machen, sie zu versenden. Ich habe mich gefragt, wer so dumm ist, dass er darauf hereinfällt. Ein Mensch, der so dumm ist, kann doch unmöglich die intellektuellen Herausforderungen einer Geldüberweisung bewältigen. Ist nicht auch die Dummheit ein Wunder der Schöpfung? Auch die Dummheit bringt Staunenswertes hervor.
In Europa sinkt seit den Neunzigerjahren der durchschnittliche Intelligenzquotient. Über das Tempo gibt es unterschiedliche Angaben, die, je nach Studie, von zehn bis zwanzig Punkte pro Jahrzehnt reichen. Der britische Ethnologe Edward Dutton checkt regelmäßig den IQ skandinavischer Wehrpflichtiger, der bei der Musterung ermittelt wird und so zuverlässig abschmilzt wie die Gletscher in den Alpen. Es scheint ein länderübergreifendes europäisches Phänomen zu sein, das mittlerweile gut belegt ist, aber für deutlich weniger Unruhe sorgt als der Klimawandel. Man weiß auch nicht so recht, was man dagegen tun könnte. Was ist die Ursache? Ich habe etliche Theorien gefunden. Manche behaupten, das Sinken des IQ sei eine Folge der Chemikalie PCB, andere halten das Phänomen für eine Folge des Jodmangels oder aber eine Begleiterscheinung der Überalterung, was für die skandinavischen Wehrpflichtigen sicher nicht zutrifft. Rechte machen gern den Islam und die Migration für den sinkenden IQ verantwortlich. Die Theorie, dass der Intelligenzschwund eine Nebenwirkung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft ist, dürfte dagegen eher bei Anhängern der Grünen auf Zustimmung stoßen. Ich vermute, dass Oskar Lafontaine den sinkenden IQ relativ einleuchtend aus dem US-Imperialismus ableiten kann. Und wenn man Wladimir Putin mitten in der Nacht weckt und fragt: »Warum werden die Leute immer dümmer?«, dann sagt er garantiert: »Es liegt an den Schwulen.« Ich dagegen würde sagen: »Die Schulen werden immer schlechter. Es sind die Bildungsreformen.«
Eine andere Denkschule kritisiert einfach den IQ-Test. Der Test sage nichts über echte Intelligenz aus. Man müsste demnach so lange an dem Test herumfummeln, bis er wieder wunschgemäß funktioniert und, wie noch in den Achtzigerjahren, eine stetig steigende Intelligenz anzeigt. Dann wäre das Problem gelöst. Andere sagen, dass »Intelligenz«, ähnlich wie »Geschlecht«, nur ein soziales Konstrukt sei, also gar nicht existiere und folglich auch nicht sinken könne. In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag, in Zukunft lieber die »emotionale Intelligenz« zu messen. Da kann man nur hoffen, dass die nicht auch sinkt. Indizien dafür sehe ich.
In Wirklichkeit muss man sich über den sinkenden IQ keine Sorgen machen. Ein Dummer weiß nämlich nie, dass er dumm ist. Um seine Dummheit zu erkennen, bräuchte er ja Intelligenz. Der Satz »Ich bin dumm« kann folglich nur von einem halbwegs intelligenten Menschen gesagt werden. Das heißt, bei stetig sinkender Intelligenz löst sich das Problem irgendwann von alleine, weil alle sich für klug halten und mit sich selber total zufrieden sind.
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Über Polizeimeldungen vom 06.12.2018
Über Polizeimeldungen = Datenschutz ad absurdum geführt.
VON HARALD MARTENSTEIN vom 06.12.2018
Seit Jahren verbringe ich im Winter ein paar Wochen in Key West, dem südlichsten Ort der USA. Manches ist dort anders. Zum Beispiel musst du beim Kauf von Kontaktlinsen ein ärztliches Rezept vorlegen. Der Apotheker sagte: »Waffen kriegen Sie in unserem Land ohne Rezept. Kaufen Sie sich eine fette Wumme, kommen Sie zurück, schießen Sie ein paarmal in die Decke, dann rücke ich die Kontaktlinsen heraus.« Das war natürlich ein Scherz. Ärzte, meinte der Apotheker, hätten halt eine gute Lobby. Im Parlament säßen hauptsächlich ältere Leute, die ihren Arzt bei Laune halten müssen. Das zumindest ist genauso wie bei uns: Wenn du eine gute Lobby hast, kriegst du Forderungen durch, bei denen andere Bevölkerungsgruppen den Kopf schütteln.
In den meisten amerikanischen Kleinstädten gibt es immer noch eine Lokalzeitung, in Key West heißt sie The Citizen, gegründet 1876. Die Attraktivität dieses Blattes beruht nicht zuletzt auf den detailverliebten Polizeimeldungen, in denen stets der volle Name der Verdächtigen genannt wird. Es ist jeden Tag ein Blick in menschliche Abgründe. Hier ein Beispiel.
Aurelio Rodriguez, 54, und sein späteres Opfer haben zwei Tage lang am Strand von Bahia Honda friedlich nebeneinander gecampt. Das Opfer und seine Frau statteten Herrn Rodriguez einen Besuch ab, um gemeinsam mit ihm eine Flasche Tequila zu leeren, das Gastgeschenk. Rodriguez war allerdings bereits bei ihrer Ankunft zu betrunken, um diese freundliche Geste schätzen zu können. Er beschimpfte seine Gäste, dabei fiel er zu Boden. Das Opfer versuchte, den tobenden Rodriguez wieder auf die Beine zu stellen, was sich trotz der Hilfe eines weiteren Campers als schwierig herausstellte. Am Boden liegend, fasste Rodriguez die linke Hand des Opfers und biss ihm eine Fingerkuppe ab. Als eine Polizistin am Tatort eintraf, war Rodriguez’ Gesicht blutüberströmt. Das Verhalten des Täters war so lebhaft und lautstark, dass ihm nicht einmal seine Rechte vorgelesen werden konnten. Der Polizistin gelang allerdings das, woran die Camper gescheitert waren, sie brachte Rodriguez in die Vertikale und verfrachtete ihn in ihr Auto. Anschließend fand sie sogar den abgebissenen Fingerteil und legte ihn auf Eis – in Key West steht immer irgendwo eine Eismaschine. Ein Versuch, den Fingerteil im Krankenhaus wieder anzunähen, scheiterte. Am folgenden Tag wurde Rodriguez aus der Haft entlassen, da er erstaunlicherweise die geforderten 50.000 Dollar Kaution zu zahlen imstande war.
Ich muss gestehen, dass ich diese Polizeimeldungen mag, es sind Gesellschaftsporträts in der Tradition von Émile Zola, La Bête Humaine. Als guter Deutscher sehe ich es kritisch, wenn volle Namen von Verdächtigen genannt werden. Aber auf die Idee, dass alle Menschen, die Rodriguez oder so ähnlich heißen, ihren Mitbürgern Finger abbeißen, würde ich nicht kommen, dazu müsste man schön blöd sein. Außerdem ist Rodriguez vielleicht total okay, als Typ, er hatte vielleicht nur einen schlechten Tag. In manchen deutschen Medien wird ja sogar die Herkunft der Täter ungern enthüllt, oft heißt es nur »ein Mann« oder »Männer«. Immer wenn ich in einer Polizeimeldung »Männer« lese, denke ich deshalb verbotenerweise: »Das waren vermutlich Muslime. Männer ist das offizielle neue Wort dafür.« Weil man weiß, dass etwas nicht benannt werden soll, denkt man es erst recht, ob man will oder nicht. Dies ist die Kraft, die Gutes will und Böses schafft. Ich bin, wie Émile Zola, dafür, die Realität zu beschreiben, wie sie ist.
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Kommentar von Ulrich H. Rose am 06.12.2018: Harald Martenstein's Vermutungen decken hervorragend den Irrsinn des Datenschutzes auf. Genau genommen werden mittels des Datenschutzes die Perversen unter uns geschützt. Das dürfte doch nicht der Sinn dieses Gesetzes sein, oder?
Dazu fällt mir nur noch mein Spruch vom 10.03.2015 ein: "Datenschützer schützen nur Daten - nicht Menschen"
In diesem Zusammenhang denke ich an den Genderwahnsinn. (ER DAW 29)
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Datenschützer schützen nur Daten - nicht Menschen
Datenschützer schützen nur Daten - nicht Menschen. .. Spruch von Ulrich H. Rose vom 10.03.2015
Termine bei Ärzten oder Handwerkern bekommen
Über die Unmöglichkeit bei Ärzten oder Handwerkern einen Termin zu bekommen
Von HARALD MARTENSTEIN 13.06.2019
Ich konnte immer schlechter sehen, also ging ich im vergangenen Jahr zu einer Optikerin und ließ die Augen checken. Die Optikerin sagte: »Sie sollten mal besser zum Augenarzt. Ich glaube, ich erkenne da was. Und Sie sollten nachts besser nicht außerhalb der Stadt fahren.« Was genau sie erkannte, wollte sie nicht sagen, um mich nicht zu beunruhigen. Das fand ich beunruhigend.
Der erste freie Termin beim Augenarzt war nur zwei Monate später, es war der 29. Januar. Die Ärztin erkannte ebenfalls was und sagte, sie müsse einen Test machen, der leider etwas mehr Zeit beanspruche. Der erste freie Termin für den Test war am 1. April. Der Test erbrachte kein eindeutiges Ergebnis. Ein zweiter Test ist nötig, dieser Test wird nun am 6. August stattfinden. Ich habe die Schrift im Computer größer gestellt, und zurzeit ist es lange hell, insofern: alles paletti.
Die Kindsmutter wurde auch zu einem Facharzt überwiesen, der Fall ist kompliziert, und die Terminanfrage datiert vom 25. April. Die Arzthelfende schrieb: »Für neue Patienten haben wir erst Termine im September.« Es gebe aber eine andere Möglichkeit. Der Arzt nehme immer jeweils am Montag und Dienstag genau drei neue Patienten an, und zwar um 9.30 Uhr, um 10.30 Uhr und um 11.30 Uhr. Diese Menschen haben natürlich viele Monate auf den Termin gewartet. In der Zwischenzeit kann so manches passiert sein, entweder es gab eine Wunderheilung, oder die Sensenperson hat den Patienten von seinem Leiden erlöst, oder die Kranken haben sich an die Krankheit gewöhnt oder sie sogar lieb gewonnen und ihr Interesse an einer Heilung verloren. Man darf also an jedem Montag und Dienstag als Ersatzpatient kommen und warten, ob der Terminbesitzende tatsächlich fit ist und aufläuft, ein bisschen wie Jérôme Boateng beim FC Bayern München. »Wenn der neue Patient kommt, müssen Sie leider gehen«, schreibt die Helfende, »ist ein Risikotermin.«
Eine Freundin, deren Mann Politiker ist, sagte, sie könne helfen. Ein Anruf ihres Mannes genüge. So was tut man natürlich nicht. Andererseits, wenn es die einzige Möglichkeit sein könnte, sein Leben zu retten? Man könnte auch mit der Cessna zu diesem Dschungeldorf fliegen, das im Fernsehen kam, einmal im Monat sind NGO-Ärzte dort. Die nehmen jeden, wirklich jeden dran. Warum kommen sie nicht auch mal nach Deutschland?
Das Problem der Überalterung unserer Gesellschaft dürfte sich jedenfalls von alleine lösen, wenn beim Arzt nur noch Stammgäste bedient werden. Ein anderes Problem besteht darin, dass es immer weniger Handwerker gibt. Der Nachwuchs fehlt. Immer mehr junge Menschen machen Abitur und studieren, das scheint inzwischen einfacher zu sein als eine Lehre und bringt außerdem mehr Renommee. Du wartest Wochen auf einen Maurer oder Klempner, aber wenn du dringend einen Soziologen brauchst, hat er schon morgen Zeit. Ich finde, man sollte die Handwerksberufe in Studienfächer umwandeln. Am Ende der Lehre kriegst du das Abitur. Und statt des Titels »Meister« bekommst du den »Dr. mau« oder den »Dr. rer. klemp«. Wir hätten 100 Prozent Akademiker und ein Problem weniger.
In den Texten über den Zerfall des traditionellen Parteiensystems und den Aufschwung neuer Mitbewerber vermisse ich oft den Hinweis, dass dies mit etlichen Alltagsproblemen der Bevölkerung zu tun haben könnte, welche seit Längerem bestehen und dann doch einen gewissen Unmut haben entstehen lassen. Nach einem Schiffbruch ergreift man ja auch jede Planke, die zufällig vorbeitreibt. Und jetzt braucht das Kind auch noch eine Schule!
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stark und unvergleichbar gut:
Über die lebenslangen Kämpfe mit der Mutter
Über die lebenslangen Kämpfe mit der eigenen Mutter und andere Gedanken beim Ausräumen ihrer Wohnung.
Von HARALD MARTENSTEIN 07.11.2019
Wieder so ein Tag, an dem ich die Kolumne gern absagen würde, aber das habe ich nie gemacht, nicht einmal an dem Tag, als mein Vater starb. Ich bin nicht stolz darauf, so zu sein, denken Sie das bloß nicht. In mir ist eine Stimme, die mich dazu zwingt. Ich bin in der Wohnung meiner Mutter, morgen kommen Möbelpacker. Sie ist jetzt im Heim und versteht nicht mehr, was um sie herum geschieht. Die letzten Monate waren hart, mehr für sie als für mich. Sie hat gekämpft um ihr selbstständiges Leben, mit allen Mitteln, sie hat getobt, sie hat geschmeichelt, sie hat mit den besten Anwälten gedroht, sie kannte die Namen, obwohl sie gar nicht mehr telefonieren konnte. Sie vergaß fast alles, nur nicht ihren Freiheitswillen. Sie ist eine große Kämpferin, die man vor der letzten Kraft schützen musste, die sie noch besaß. Jetzt hat sie endlich aufgegeben.
Meinen Vater habe ich geliebt, vor meiner Mutter hatte ich Angst. Wir haben jahrelang nicht miteinander gesprochen. Zeitweise habe ich sie gehasst. Als sie sehr jung Mutter wurde, war ich wohl so etwas Ähnliches wie jetzt die Krankheit, etwas, das sie daran hinderte, frei zu sein. Es gibt Dinge, die ich ihr nicht verzeihen kann, obwohl ich sie verstehe. Erst als sie schwächer wurde, konnte ich es plötzlich. Es ist leichter, zu verzeihen, wenn man der Stärkere ist. Wenn man sich ohnmächtig fühlt, gibt einem der Hass wahrscheinlich die Kraft, die man braucht. Und irgendwann muss man sowieso damit aufhören, den Eltern die Schuld an dem fehlerhaften Menschen zu geben, der man ist.
Sie war klug und stark, aber für Frauen wie sie war die Zeit noch nicht reif. Sie hat kurz vor dem Abitur die Schule geschmissen, weil sie dachte, ein toller Mann – mein charismatischer Vater, der Jagdflieger und Jazzmu siker – sei die Lösung für sie. Danach probierte sie es mit anderen Männern, aber das Problem, das sie hatte, lässt sich nicht mit der richtigen Partnerwahl lösen. Sie durfte nie zeigen, was sie kann, und wurde sehr wütend. Das hat sie mir, ihrem Kind, zu spüren gegeben. Das Kind in mir wird ihr nicht verzeihen, der Erwachsene aber kann es.
Ich habe die Möbel und sonstigen Sachen zusammengesucht, die in ihrem neuen, kleinen Zimmer um sie sein sollen und die sie vielleicht mag, sie selber kann das nur noch ganz vage sagen. Der Plattenspieler. Eine schöne Vase. Ein Foto des schönen Geliebten, an dem die Ehe mit meinem Vater zerbrach. Das immerhin weiß ich von ihr. Darf ich ihre Mails lesen? Besser, man lässt es. Ich hatte eine Fantasie, all die Söhne und Töchter, die in genau diesem Moment genau das Gleiche tun und die gleichen Fragen wälzen wie ich, ein riesiger Splitscreen. Und dann dachte ich, dass in einigen Jahren, gar nicht so vielen, meine Söhne oder meine Witwe das Gleiche tun werden wie ich heute. Man muss rechtzeitig aufräumen.
Es gibt nicht viel, worin mein Vater und meine Mutter sich einig waren, eins davon ist die Botschaft: Kämpfe! Lass dich nicht abschießen, schreib die Kolumne, egal, wie’s dir geht! Sie hat jede Karte aufgehoben, die ich ihr geschickt habe, jedes Foto, Zeitungsartikel, kleine Geschenke, alles, auch in den Jahren, in denen wir nicht miteinander sprachen. Sie hat mich nie aufgegeben, ich sie dagegen schon. Ich schämte mich, weil ich gnadenlos war. Ich dachte, es ist gut, dass sie nicht einfach so stirbt, sondern noch eine Weile in diesem Zwischenreich ist. Sie wird nicht verstehen, was ich ihr sage, aber sie wird spüren, wenn ich sie streichle.
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Ai Weiwei und Nazismus 12.02.2020
Über Kunst und Aktivismus den Stil der Berliner Taxifahrer und Undank als der Welten Lohn
VON HARALD MARTENSTEIN 12Feb2020
Auf den chinesischen Künstler Ai Weiwei bin ich durch die Gala »Cinema for Peace« aufmerksam geworden, die während der Berlinale stattfindet. Da feiern berühmte Menschen in edlem Ambiente sich selber. Das sollen sie gern machen. Im Februar 2016 hatte Ai Weiwei die Gestaltung des Konzerthauses am Gendarmenmarkt übernommen. Er behängte die Fassade mit angeblich originalen Schwimmwesten von Flüchtlingen. Der Höhepunkt der Party bestand darin, dass etliche Gäste, etwa Charlize Theron oder Sarah Wiener, sich mit goldglänzenden Kälteschutzplanen bedeckten, um ihre Solidarität zu beweisen. Einige Gäste machten Selfies mit Flüchtlingen, die der Veranstalter freundlicherweise zur Verfügung stellte. Danach gab es Involtini von der Poularde zu den Klängen einer original Flüchtlingsband, auf einer Leinwand waren Bilder von Hitler und den Massenmorden in Srebrenica zu sehen. Die Subtilität dieser Inszenierung bestand darin, dass direkt unter den Augen des angeblichen Vegetariers Adolf Hitler haufenweise Fleisch verputzt wurde, ein mutiger Akt des Widerstands, wie ich damals schrieb.
Leute, die politische Parolen in gut gemeinte Bilder übersetzen, halte ich, ehrlich gesagt, nicht für Künstler. Für mich sind das Aktivisten, die Deko-Artikel für andere Aktivisten herstellen. Diese Art von Polit-Kunst erinnert ein wenig an die Marien mit Jesuskind, die man sich früher ins Wohnzimmer hängte und die ebenfalls der Erbauung dienten. Aber Ai Weiwei ist auch ein Regimekritiker, der in China im Knast war, insofern bin ich auf seiner Seite. Damals intervenierte, relativ heftig, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, es gab in Deutschland einen Appell, den Tausende unterschrieben haben. Um Ai Weiwei aus China loszueisen, bot ihm eine Berliner Uni eine Professur an, die er annahm und drei Jahre innehatte.
Nun ist er in Cambridge und hat ein Interview gegeben. Die Deutschen seien – ich hoffe, ich kriege alles zusammen – autoritätshörig, unhöflich, fremdenfeindlich, gehorsam, ungehemmt und »ohne jegliche Integrität«. Sie würden »andere Denkungsarten abwerten«, und das, so Ai Weiwei, sei »Nazismus«. Da bin ich echt erschrocken. Wenn die Definition von Nazismus darin besteht, dass andere Denkungsarten abgewertet werden, bestehen etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung aus Nazis, womöglich einschließlich des Künstlers Ai Weiwei. Kein schöner Gedanke. Dass die Deutschen gleichzeitig »gehorsam« und »ungehemmt« sind, kommt mir ein bisschen widersprüchlich vor, würde ein gehorsamer Mensch nicht auf Befehl seine Hemmungen hintanstellen?
Ich habe mich gefragt, was ihn so geärgert hat, ganz konkret. Angeblich ist er in Berlin zweimal aus einem Taxi geflogen, einmal, weil er gegen den Willen des Taxifahrenden ein Fenster geöffnet hat, über die Außentemperatur ist nichts bekannt. Beim zweiten Mal soll er mit seiner Mutter telefoniert haben, der Himmel weiß, wie laut. Dazu hat ein Kollege aus der Schweiz angemerkt, dass dies eben der Stil mancher Berliner Taxifahrer sei, autoritätshörig sind die gerade nicht. Ich hoffe, dass die Taxifahrer in Cambridge mehr Respekt vor berühmten Künstlern haben, sonst müssen sich die Briten auf einiges gefasst machen.
Ja, das ist bitter, man tut Gutes, man hilft, und dann das. Es kommt öfter vor, als man denkt, auch in dieser Hinsicht ist Ai Weiwei Mainstream. Für alle Fälle habe ich schon mal recherchiert, wie das deutsche Sprichwort »Undank ist der Welten Lohn« auf Englisch heißt. Die der Party bestand darin, dass etliche Gäste, etwa Charlize Theron oder Sarah Wiener, sich mit goldglänzenden Kälteschutzplanen bedeckten, um ihre Solidarität zu beweisen. Einige Gäste machten Selfies mit Flüchtlingen, die der Veranstalter freundlicherweise zur Verfügung stellte. Danach gab es Involtini von der Poularde zu den Klängen einer original Flüchtlingsband, auf einer Leinwand waren Bilder von Hitler und den Massenmorden in Srebrenica zu sehen. Die Subtilität dieser Inszenierung bestand darin, dass direkt unter den Augen des angeblichen Vegetariers Adolf Hitler haufenweise Fleisch verputzt wurde, ein mutiger Akt des Widerstands, wie ich damals schrieb.
Leute, die politische Parolen in gut gemeinte Bilder übersetzen, halte ich, ehrlich gesagt, nicht für Künstler. Für mich sind das Aktivisten, die Deko-Artikel für andere Aktivisten herstellen. Diese Art von Polit-Kunst erinnert ein wenig an die Marien mit Jesuskind, die man sich früher ins Wohnzimmer hängte und die ebenfalls der Erbauung dienten. Aber Ai Weiwei ist auch ein Regimekritiker, der in China im Knast war, insofern bin ich auf seiner Seite. Damals intervenierte, relativ heftig, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, es gab in Deutschland einen Appell, den Tausende unterschrieben haben. Um Ai Weiwei aus China loszueisen, bot ihm eine Berliner Uni eine Professur an, die er annahm und drei Jahre innehatte.
Nun ist er in Cambridge und hat ein Interview gegeben. Die Deutschen seien – ich hoffe, ich kriege alles zusammen – autoritätshörig, unhöflich, fremdenfeindlich, gehorsam, ungehemmt und »ohne jegliche Integrität«. Sie würden »andere Denkungsarten abwerten«, und das, so Ai Weiwei, sei »Nazismus«. Da bin ich echt erschrocken. Wenn die Definition von Nazismus darin besteht, dass andere Denkungsarten abgewertet werden, bestehen etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung aus Nazis, womöglich einschließlich des Künstlers Ai Weiwei. Kein schöner Gedanke. Dass die Deutschen gleichzeitig »gehorsam« und »ungehemmt« sind, kommt mir ein bisschen widersprüchlich vor, würde ein gehorsamer Mensch nicht auf Befehl seine Hemmungen hintanstellen?
Ich habe mich gefragt, was ihn so geärgert hat, ganz konkret. Angeblich ist er in Berlin zweimal aus einem Taxi geflogen, einmal, weil er gegen den Willen des Taxifahrenden ein Fenster geöffnet hat, über die Außentemperatur ist nichts bekannt. Beim zweiten Mal soll er mit seiner Mutter telefoniert haben, der Himmel weiß, wie laut. Dazu hat ein Kollege aus der Schweiz angemerkt, dass dies eben der Stil mancher Berliner Taxifahrer sei, autoritätshörig sind die gerade nicht. Ich hoffe, dass die Taxifahrer in Cambridge mehr Respekt vor berühmten Künstlern haben, sonst müssen sich die Briten auf einiges gefasst machen.
Ja, das ist bitter, man tut Gutes, man hilft, und dann das. Es kommt öfter vor, als man denkt, auch in dieser Hinsicht ist Ai Weiwei Mainstream. Für alle Fälle habe ich schon mal recherchiert, wie das deutsche Sprichwort »Undank ist der Welten Lohn« auf Englisch heißt. Die englische Version lautet: »Nothing is so hard as man’s ingratitude«.