Ulrich H. Rose vom 02.01.2016

Ein deutlicher Hinweis von Selbstbewusstsein:

In den letzten 20 Jahren stellte ich immer fest, dass Sportler nach dem Gewinn eines Titels sich so ähnlich wie folgt äußerten:

- ich kann es (immer) noch nicht fassen

- vielleicht werde ich das morgen begreifen, was ich da geschafft/erreicht habe

- vielleicht werde ich eines Tages begreifen, was ich da geschafft/erreicht habe

- kneif mich, dass ich das verstehe

- u.sw., u.s.w., ....


Bei solchen Antworten stellte ich immer wieder fest, dass ich nicht so antworten würde.
Ich würde sagen, dass ich das genau mitgekriegt habe, dass ich weiß, was ich da geleistet habe.
(Diese Überlegungen sind nicht theoretischer Art, sondern als Leichtathlet habe ich solches auch erleben dürfen.)

Dann dachte ich weiter und überlegte, warum die Gewinner solche Antworten gaben.
Einerseits war es wahrscheinlich unüberlegtes Nachgeplapper, wie es im Sport vielfach anzufinden ist.

Lies dazu die Nr. 158 "dagegen sein - dafür sein = GEZUSE-Menschen",
vor allem den Nachtrag am 22.12.2011 zu Stockfehler, Kugel und Hand.

Andererseits könnte es auch ein Tiefstapeln sein, um Unterlegene nicht zu sehr vor den Kopf zu stoßen.


Jetzt kopiere ich erst Mal den Artikel in DIE ZEIT Nr. 28 "Verunsichern kann mich nichts" vom 26.11.2015 hier rein:



Verunsichern kann mich nichts

Verunsichern kann mich nichts
Wirklich? Toni Kroos ist mit 25 Jahren schon Weltmeister und Regisseur im Mittelfeld von Real Madrid. Ein Gespräch über den Qualitätsunterschied unter seinen Spitzentrainern, Selbstüberzeugung als Schutzschild gegen Kritik sowie seine Rolle als Vater, Sohn und Ehemann

Interview: Moritz Müller-Wirth

Toni Kroos zeigt bei Real Madrid, wo es langgeht.

DIE ZEIT: Herr Kroos, haben Sie hier auf dem Vereinsgelände von Real Madrid manchmal das Gefühl: "Wahnsinn, ich hier"?

Toni Kroos: Ich muss zugeben: Nie.

ZEIT: Im Ernst?

Kroos: Vielleicht wäre es manchmal gar nicht schlecht, wenn es so wäre, wie Sie es unterstellen. Aber ich bin kein enthusiastischer Typ. Ich sehe einfach auch die Arbeit, die ich reingesteckt habe, um bis hierhin zu kommen. Dass es ein ungeheures Privileg ist, dessen bin ich mir schon bewusst. Aber selbst daraus wird ganz rasch Normalität.

ZEIT: Zu Ihrer Normalität gehört auch, dass Sie bereits unter vielen absoluten Toptrainern länger gearbeitet haben, zum Beispiel Heynckes, van Gaal, Guardiola, Klinsmann, Löw und Ancelotti. Welches sind die drei wichtigsten Qualitäten, die ein Trainer haben muss?

Kroos: Erstens muss er eine klare Idee vom Fußball haben, eine Spielidee. Zweitens muss er in der Lage sein – besonders wenn er eine große Mannschaft trainiert –, die unterschiedlichen Charaktere so anzusprechen, dass sie seine Idee umsetzen und gleichzeitig ein gutes Klima herrscht. Und drittens: Er muss Erfolg haben.

ZEIT: Worauf könnten Sie eher verzichten: Spielidee oder Motivation?

Kroos: Wenn ich mich entscheiden müsste, dann würde ich auf die Motivation verzichten.

ZEIT: Oliver Kahn hat einmal gesagt: "Weltklassespieler brauchen keine Motivation – sie wollen wissen, wie sich ein Spiel entwickelt, wie sie darauf reagieren müssen."

Kroos: Das würde ich so unterschreiben. Ein Weltklassetrainer muss das Spiel so lesen können, dass er und seine Mannschaft in der Lage sind, auch während des Spiels auf veränderte Situationen zu reagieren.

ZEIT: Gehen wir die wichtigsten Trainer mal durch, und Sie sagen zu jedem einen Satz oder zwei. Jupp Heynckes?

Kroos: Mein wichtigster Trainer. Es haben viele gesehen, dass ich Talent habe. Aber den Mut, mir konstant die Möglichkeit zum Spielen zu geben, mir auch ein, zwei schlechtere Spiele zu verzeihen, da war er der Erste.

ZEIT: Louis van Gaal?

Kroos: Von der Idee her ein absoluter Toptrainer. Ob die immer zur Mannschaft gepasst hat, lasse ich mal offen. Aber er hat eine konkrete Vorstellung. Und er bleibt dabei, definitiv.

ZEIT: Und Jürgen Klinsmann, was machte ihn aus?

Kroos: Während seiner Zeit bei den Bayern habe ich persönlich alles vermisst: eine Spielidee, angemessene Kommunikation – und den Erfolg.

ZEIT: Joachim Löw?

Kroos: Für Löw gilt auf Nationalmannschaftsebene, was für Heynckes im Verein galt: Ich wusste zu jeder Zeit, wie viel er von mir hält. Nicht nur deshalb schätze ich ihn: Er versteht unglaublich viel von Fußball.

ZEIT: Mehr als Pep Guardiola?

Kroos: Von der Spielidee her, vom Plan, wie man Gegner bespielt und der eigenen Mannschaft Lösungen präsentiert, war Pep der beste Trainer, den ich je hatte.

ZEIT: Was zeichnet den Italiener Carlo Ancelotti aus, der Real Madrid von Juni 2013 bis Mai 2015 gecoacht hat, also Ihr erster Trainer hier in Spanien war?

Kroos: Er konnte die Erfolgsbedingungen am besten mixen: die taktische Idee, das Menschliche, was gerade bei Real Madrid nicht so einfach ist. Als er ging, waren alle traurig – auch die, die nicht gespielt haben und Grund gehabt hätten, ihn dafür zu kritisieren. Es fiel kein negatives Wort über ihn. Das ist außergewöhnlich.

ZEIT: Kommen wir von den Weltklassetrainern zu den Weltklassespielern. Was unterscheidet die wirklich Großen von den fast ganz Großen?

Kroos: Die Konstanz. Man kann alles Mögliche trainieren, sich auf die wichtigen Spiele fokussieren. Wenn du aber in der Lage bist, deine beste Leistung auch in kleinen, angeblich nicht so wichtigen Spielen zu bringen – dann bist du top.

ZEIT: Sie kennen das Problem?

Kroos: Stimmt. Aber ich habe nach schwächeren Spielen die mentale Stärke, das nächste Mal wieder reinzugehen und zu sagen: Ich bin in der Lage, Höchstleistung zu bringen – was soll mir passieren?

ZEIT: Was kann Sie verunsichern?

Kroos: Ich überlege gerade ... Also, verunsichern kann mich eigentlich nichts.

ZEIT: Herr Kroos!

Kroos: Tut mir leid, das stimmt aber, zumindest für den Sport. Es gilt natürlich nicht fürs Private ...

ZEIT: ... dazu kommen wir noch ...

Kroos: ... aber was mich beim Fußball verunsichern könnte, da fällt mir wirklich nichts ein.

ZEIT: Diese scheinbar bruchlose Selbstüberzeugung wirkt auf mich nicht wirklich überzeugend, eher wie ein Schutzschild.

Kroos: Das mag schon sein, aber Sie müssen sehen: Schon seit frühester Jugend stand meine Art zu spielen in der Kritik. Lief es gut, hieß es: genial, lief es schlecht: lethargisch. Das härtet ab. Und wo bin ich jetzt? In diesem Fußballleben wird mich keiner mehr dazu bringen, meine Art, Fußball zu spielen, grundsätzlich zu ändern.

ZEIT: Sie haben einmal gesagt: "Ich wusste immer, dass ich einen weiten Weg vor mir habe." Auf einer Skala von eins bis zehn: Wo stehen Sie auf diesem Weg im Moment?

Kroos: Nach dem WM-Sieg hätte ich gesagt: zehn. Heute würde ich sagen: acht.

ZEIT: Was passiert dann zwischen acht und zehn?

Kroos: Ich kann mich natürlich noch verbessern. Wenn ich in diesem Jahr fünf bis zehn schlechte Spiele gemacht habe, dann sollten es in der kommenden Saison weniger sein. Diese Konstanz ist das Ziel.

ZEIT: Carlo Ancelotti hat Real Madrid als Familienunternehmen bezeichnet. Auch beim FC Bayern, Ihrem Exverein, spricht man mit Blick auf den Zusammenhalt untereinander von der Bayern-Familie. Teilen Sie diese Einschätzung?

Kroos: Einen Profifußballverein mit einer Familie gleichzusetzen halte ich für problematisch. Schon allein deshalb, weil sich weder bei Bayern noch bei Real alle Mitarbeiter im Verein kennen. Die Vereine nutzen diesen Vergleich, um eine Verbundenheit zu demonstrieren, die es aber so nicht gibt. Vor allem nicht in Krisenzeiten.

ZEIT: Ihr Vater war in der Jugend Ihr Trainer, Ihr Bruder ist auch Fußballprofi. Ihre Mutter sagte in einem Interview: "Wir haben in unserer Familie dem Fußball alles untergeordnet." Wenn Sie an Ihren zweijährigen Sohn Leon denken ...

Kroos: ... ich weiß schon, was Sie jetzt fragen.

ZEIT: Nämlich?

Kroos: Würden Sie das genauso machen?

ZEIT: Und, würden Sie?

Kroos: Wir würden Leon niemals in diese Richtung antreiben. Selbst wenn ich irgendwann merken würde, dass er fußballerisch meine Anlagen hätte. Sollte er Spaß am Fußball haben, würden wir ihn sicher fördern. Wenn nicht, werden wir ihn dabei unterstützen, auf einem anderen Gebiet glücklich zu werden.

ZEIT: Jupp Heynckes hat einmal über Sie gesagt: "Der Toni lässt sich von nichts und niemandem beeindrucken." Er meinte gewiss den Spieler Kroos. Inwieweit gilt das aber auch für den Menschen, den Vater, Ehemann, Sohn und Bruder Toni Kroos?

Kroos: Das trifft schon zu: Eine gewisse Unaufgeregtheit habe ich auch im Privaten. Wenn Sie jetzt aber meinen, ich sei nicht in der Lage, Emotionen zu zeigen, mich von Menschen und Gefühlen beeindrucken und auch überwältigen zu lassen, dann liegen Sie falsch. Das stimmt definitiv nicht.

ZEIT: Es gibt in all den Interviews und Porträts nur eine einzige Situation, die das belegt. Kurz nach der Geburt Ihres Sohnes haben Sie sinngemäß gesagt: Seit ich Familie habe, wird mir die Zeit, in der ich nicht bei Frau und Kind bin, immer unendlich lang.

Kroos: Ich hänge meine privaten Empfindungen nicht an die große Glocke, und im Übrigen werde ich ja meistens nur über Fußball befragt. Sie sollten mich einmal erleben, wenn ich bei den schwer kranken und hilfsbedürftigen Familien bin, die ich mit meiner Stiftung unterstütze. Dann würden Sie die Frage, ob ich mich beeindrucken lasse, nicht wieder stellen.

ZEIT: Die Toni Kroos Stiftung gibt es seit Mai. Sie spielten eine lange Saison, danach kam die WM, es folgte die Saisonvorbereitung mit Real. Man kann sich schwer vorstellen, dass Sie bisher Zeit fanden, wirklich aktiv zu werden.

Kroos: Da täuschen Sie sich. Ich kenne jedes einzelne Projekt, das die Stiftung unterstützt, informiere mich auch im Detail und entscheide über jeden Schritt der Stiftung mit. Ich versuche, an allem, was möglich ist, teilzuhaben, und es ist sehr viel möglich, auch aus der Entfernung.

ZEIT: Hatten Sie selbst schon Kontakt zu den zum Teil schwerstbehinderten Kindern, deren Familien Ihre Stiftung unterstützt?

Kroos: Wir arbeiten mit dem Kinderkrankenhaus in Köln und dem Kinderhospiz Regenbogenland in Düsseldorf zusammen, dort habe ich im Sommer viele Stunden mit schwer- und todkranken Kindern verbracht. Zuletzt hatten wir einen Familientag in Düsseldorf, bei dem ich alle Familien aus dem Regenbogenland getroffen habe. Das Bewusstsein für diese Aufgabe wächst natürlich, wenn man dann selbst so einen kleinen Mann neben sich herumlaufen hat und man plötzlich nicht nur weiß, sondern spürt, was für ein Geschenk es ist, ein gesundes Kind zu haben.
"Leistungsdaten werden überbewertet"

ZEIT: Wie gelingt es Ihnen, danach wieder in Ihren Alltag zurückzufinden?

Kroos: Man stellt sich den Alltag in einem Hospiz oder Kinderkrankenhaus vielleicht schlimmer vor, als er ist. Dort herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre, alles ist bunt und fröhlich, die Mitarbeiter sind unglaublich engagiert und mit einer großen Freude dabei, um den Kindern das, was noch irgendwie geht, zu ermöglichen. Die Rückkehr in den Alltag fällt, so absurd das klingen mag, nicht so schwer. Im Gegenteil: Man nimmt viel bewusster wahr, wie gut es einem geht.

ZEIT: Zum Abschluss kommen jetzt noch zehn wahllose Behauptungen, manche als Zitate getarnt, auf die Sie bitte nur mit "Stimmt" oder "Stimmt nicht" antworten.

Nummer eins: Im Laufe ihrer Karriere spielen echte Weltklassespieler mit der Zeit immer defensiver (Pep Guardiola).

Kroos: Stimmt.

ZEIT: Ich kann verstehen, dass einige Menschen die Gehälter und Transfersummen im Fußball für verrückt halten.

Kroos: Stimmt.

ZEIT: Geld schießt keine Tore (Otto Rehhagel).

Kroos: Stimmt. Manchmal ...

ZEIT: Leistungsdaten werden überbewertet.

Kroos: Stimmt.

ZEIT: Pep Guardiola bleibt Trainer beim FC Bayern.

Kroos: (zögert) Nächste Frage.

ZEIT: Ich kann mir vorstellen, irgendwann zum FC Bayern zurückzukehren.

Kroos: Stimmt nicht.

ZEIT: Karl-Heinz Rummenigge hatte bei mir immer ein gutes Händchen in Vertragsverhandlungen.

Kroos: Stimmt nicht.

ZEIT: Fußball ist letztlich gerecht.

Kroos: Stimmt nicht.

ZEIT: Jürgen Klinsmann hat einen großen Anteil an der Entwicklung, die uns schließlich zum WM-Titel führte (Joachim Löw).

Kroos: Stimmt nicht.

ZEIT: Toni Kroos sagt in Interviews immer die Wahrheit.

Kroos: Stimmt.

Kommentare dazu

Erst mal die Gemeinsamkeiten von Toni Kroos und mir:

Endlich mal ein Mensch, der sich bewusst gibt.
Wahrscheinlich ist Toni Kroos sich seines Leistungsvermögens, reflektierend zu seiner Umwelt, bewusst.

Ähnlich beurteile ich mich zum DenKen und zur Philosophie.
Ich bin mich meines Denkvermögens, reflektierend zu meiner Umwelt, bewusst.

In beiden Fällen kommt das überheblich rüber.
Daran könnten Toni Kroos und ich etwas ändern, nur warum sollten wir es?
Das würde ja bedeuten, dass wir nicht ehrlich sein würden - warum sollten wir nicht ehrlich sein?

Jetzt zu einer weiteren Gemeinsamkeit:
Endlich sagt mal jemand die gleiche Meinung zu Jürgen Klinsmann, wie ich sie auch vertrete.


Abschlussbemerkung:
Gut, dass es diesen Bericht, gut, dass es Toni Kroos gibt.
Oder - vielleicht hat Toni Kroos auch nur viel Selbstsicherheit?
Siehe dazu die Nr. 138 "Mein Selbstbewusstsein ist sehr stark"
und die Nr. 105 "Begriffe, kritisch betrachtet, wie Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Unterbewusstsein"

Weitere Domians = www.Definition-Intelligenz.de + www.Erkenntnis-Reich.de